Sonntag, 9. September 2012

Faktenparade

In der von Moderator Wilhelmi als "Faktenparade" betitelten Vattenfall-Veranstaltung im Schulauer Fährhaus im fast voll besetzten großen Saal am 2012-09-06 hat uns der von Vattenfall beauftragrte Lärmgutachter Dipl.-Ing. Ralf Neemeyer von der Firma Müller-BBM im ersten, fast eineinhalbstündigen Teil seines Vortrags über den in der Betriebsphase des geplanten GuD-Kraftwerks zu erwartenden Lärms informiert.
Nach einer Einführung in die Begrifflichkeiten und Grenzwerte der TA Lärm kam er zu den Details seiner Prognoseberechnung.

Zwar ist die Strasse Hellgrund durch den Bebauungsplan der Stadt Wedel aus dem Jahre 1981 als reines Wohngebiet (WR) ausgewiesen worden, trotzdem arbeitet er in seinem Gutachten aber gemäß TA Lärm (aus dem Jahre 1998) wegen der „Gemengelage“ von hier direkt aneinander grenzenden Gewerbe- und Wohngebieten für den Hellgrund mit den Immissionsgrenzwerten für ein allgemeines Wohngebiet (WA). Er erläuterte, die TA Lärm fordere bei solch verschiedenen direkt benachbarten Gebieten "gegenseitige Rücksichtnahme" und schlage für den Lärm-Grenzwert "einen angehobenen geeigneten Zwischenwert" vor, "der für beide Seiten angemessen ist". (Dass es sich hierbei um eine Kann-Bestimmung handelt, erwähnt er lieber nicht. Vgl. Kap. 6.7 der TA Lärm).

Hier passiert ein wesentlicher Schritt zu Ungunsten der Anwohner:
Auf diese Weise wird der für ein reines Wohngebiet geltende Grenzwert ausgehebelt und ein um 5dB(A) höherer, für Vattenfall leichter zu erreichender Immissionsgrenzwert festgelegt! (Der Gutachter erläuterte: Wegen der logarithmischen Skalierung entspricht eine Erhöhung um 3dB(A) bereits einer Verdopplung des Schalldruckpegels. Eine Erhöhung um 10dB(A) entspricht einer Verdopplung der Lautheit.) Diesen Winkelzug sollten wir noch einmal intensiv hinterfragen.

Aus dem im Rathaus (als Abschnitt 18 der acht Aktenordner umfassenden Gesamtunterlagen) ausgelegten Lärmgutachten der Firma Müller-BBM vom 9. Mai 2012 (36 Seiten plus dicker Anhang) kann man entnehmen, dass der Luftkondensator (kurz Luko) in der Betriebsphase die Hauptlärmquelle des neuen Kraftwerks sein wird, ein Monstrum von 100m (bzw. 110m) x 40m und einer Höhe von 35m. Bauartbedingt werden etwa die untere Hälfte der Gesamthöhe Stelzenbeine einnehmen, die ein Feld von offenbar 32 Lüftern mit geschätzten 7,5m Durchmesser tragen. Manches Hochhaus in Wedel würde in diese Gebäudeausmaße mehrfach hineinpassen.

An seiner Lufteintrittsfläche prognostiziert der Gutachter einen Schalldruckpegel von 99dB(A), an seiner Luftaustrittsfläche von 94dB(A) (vgl. Tabelle 11 auf Seite 21 des Gutachtens). Er beeilt sich dazu unter 5.2.2 auf Seite 24 seines Gutachtens zu erläutern: "Der Luftkondensator stellt die maßgebliche Geräuschquelle dar. Dem Prognosemodell liegt ein Luftkondensator mit geringer Geräuschemission zugrunde. Dies bedeutet in der Regel, dass langsamlaufende Vielblatt-Ventilatoren mit ablösefreien Blattprofilen verwendet werden müssen und der Antrieb der Ventilatoren getriebelos über Treibriemen o.ä. erfolgen wird. Bei der Lagerung der Ventilatoren ist darauf zu achten, dass eine Körperschallübertragung auf das Kondensatorgehäuse verhindert wird."

Hier werden also vom Gutachter ideale Bedingungen vorausgesetzt und zur Grundlage seiner Berechnung erhoben, damit die oben genannten Emissionsschalldruckpegel erreicht werden. Nur dann werden letztlich die (wie oben beschrieben um 5dB(A) hochgesetzten) Grenzwerte an fünf der Immissionsorte am Hellgrund um voraussichtlich 1dB(A) unterschritten (vgl. Tabelle 18 auf Seite 27 des Gutachtens). Knapper geht es nicht!

Von Schalldämpfungsmaßnahmen für den Luko ist im Gutachten nicht die Rede. Weder ist davon die Rede, z.B. diesen mit Gebäuden zu umgeben (wie etwa beim viel kleineren Luko des Vatenfall-GuD-Kraftwerks in Berlin Mitte an der Rungestrasse) oder ihn tief in eine Grube zu stellen, mit einem Deich mit einer den Schall senkrecht nach oben ablenkenden 45°-Böschug zu umgeben, noch ist von Kulissenschalldämpfern die Rede.
Sollte sich später einmal bei Wiederholungsmessungen während der Betriebsphase herausstellen, dass die Grenzwerte doch nicht eingehalten werden, würde Vattenfall zur Nachbesserung aufgefordert werden. Vattenfall würde dann vermutlich argumentieren, dass eine Nachrüstung mit Kulissenschalldämpfern wegen der für solch ein zusätzliches Gewicht zu schwach ausgelegten Stelzen des Luko nicht möglich sei, bzw. andere Maßnahmen unverhältnismäßig teuer werden würden, das Begehren auf Nachrüstung könnte auf Basis dieser Gegenargumente dann niedergeschlagen werden und der Lärmpegel unverändert zu hoch bleiben, die Anwohner das Nachsehen haben.
Hier sollten wir schon jetzt Schalldämpfungsmaßnahmen einfordern oder wenigstens die Auslegung der Luko-Beine für eine spätere Nachrüstung von Kulissenschalldämpfern durchsetzen. Schalldämpfungsmaßnahmen an allen anderen Emissionsorten des Kraftwerks nachzurüsten, würde einen erheblich geringeren Aufwand bedeuten.

Ein Wedeler (Name und Anschrift den Blogmoderatoren bekannt)

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