Samstag, 31. August 2019

So was von ätzend!

Bei erneuten massiven Partikelausstößen Ende Juli 2019 wurden teils große Placken im direkten Kraftwerksumfeld am Wedeler Elbhochufer gefunden. Am 26.07.2019 haben wir eine pH-Wert-Messung eines Kraftwerkspartikels vornehmen lassen. Das erschreckende Ergebnis ist pH 1.


Selbst Nachbarn, die sehr zeitnah nach Partikelberegnung ihre Pkws gewaschen haben, mussten Verätzungen am Lack feststellen. Dies ist nicht verwunderlich bei einem derart ätzenden pH-Wert.

Wir haben daraufhin 2 neue Stellungnahmen in Auftrag gegeben.
  1. Das Gutachterbüro Korro-Praevent hat am 07.08.2019 eine Stellungnahme zu der o.a. pH-Wert-Messung erstellt.
    Fazit: „Insbesondere die vielen Partikel- und Schadenmeldungen (Ätzschäden) aus dem Kraftwerksumfeld, die seit Juli 2016 und bis heute an das LLUR gemeldet werden, zeigen, dass durch die technischen Maßnahmen von Vattenfall keine „Minderung“ eingetreten ist. Die pH-Wert-Messung vom 26.07.2019 belegt, dass die Partikel stark sauer (ätzend) und gesundheitsgefährdend sind.“
  2. Die Fa. Ökopol GmbH aus Hamburg hat am 09.08.2019 ebenfalls eine Stellungnahme zum Partikelauswurf durch das Vattenfall-Heizkraftwerk in Wedel erstellt.
    Fazit: „Ökopol beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Stand der Technik in Feuerungsanlagen, insbesondere in Großfeuerungsanlagen (Anlagen > 50 MW Kapazität). Ökopol hat in der EU-Arbeitsgruppe zur Definition von besten verfügbaren Techniken im Zeitraum von 2011 bis 2016 mitgewirkt. Der Stand der Technik für bestehende sowie für neue Kraftwerke wurde mit der Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen zu Großfeuerungsanlagen im Amtsblatt der Europäischen Union festgeschrieben [EU BAT LCP 2017]. Techniken zur Abscheidung von Schadstoffen wie sauren Gasen und Partikeln werden im 942 Seiten umfassenden Merkblatt der Europäischen Union zu besten verfügbaren Techniken in Großfeuerungsanlagen ausführlich behandelt [EU BREF LCP 2017]. Im Dokument und in den zugehörigen Fachdiskussionen wurde an keiner Stelle beschrieben, dass bei Anwendung der besten verfügbaren Techniken in kohlegefeuerten Kraftwerken Partikelauswürfe auftreten. Auch aus sonstiger Literatur ist kein Fall bekannt, bei dem ein Kraftwerk derart aggressive Partikel ausgeworfen hat. Ökopol ist auch aus seiner langjährigen Beratertätigkeit kein weiterer Fall bekannt, bei dem eine Behörde toleriert hat, dass die Anwohner eines Kraftwerkes einer vergleichbaren Belastung mit ätzenden und Sachschäden verursachenden Auswürfen ausgesetzt wurden. Vor diesem genannten Hintergrund kann eindeutig festgestellt werden, dass der Betrieb des Kraftwerkes Wedel aufgrund des Austritts von aggressiven und Sachschäden verursachenden Partikeln nicht dem Stand der Technik für Großfeuerungsanlagen entspricht.“

Trotz Einreichung dieser beiden Stellungnahmen handelt das grüne Umweltministerium immer noch nicht und verweist auf kürzlich durchgeführte Untersuchungen von Proben, die Vattenfall selbst im Mai 2019 während eines Stillstands der Anlage aus dem Kraftwerk gekratzt hat. Kraftwerksrückstände sind mit „echten“ Partikeln nicht vergleichbar und jeder Ausstoß muss aufgrund chemischer Schwankungen für sich betrachtet werden. Die letzten Schäden sind nachweislich erst in den letzten Wochen entstanden. Auch diese Woche hat es wieder einen deutlichen Partikelniederschlag am Elbhochufer in Wedel gegeben.

Alles im wahrsten Sinne des Wortes „ätzend“.

Ganz, ganz herzlich bedanken wir uns für Ihre Spenden, die unsere Arbeit erst möglich machen. Sachverständige und unsere Anwaltskanzlei kosten natürlich weiterhin viel Geld. Wir haben bereits mehrere Klagen beim Oberverwaltungsgericht Schleswig eingereicht.

Bitte unterstützen Sie uns mit einer Spende! Gemeinsam können wir viel erreichen.
Konto der Bürgerinitiative:
Linda Clausen-Hansen
DE68 2005 0550 1280 5301 46


Kerstin Lueckow für die BI

Donnerstag, 21. Februar 2019

Gutachten-Ergänzung

Am 08.01.2019 haben wir das von uns in Auftrag gegebene Gutachten Partikelemissionen November 2018 / Partikeluntersuchung veröffentlicht. Im Nachgang hat unser Rechtsanwalt, Dr. Fricke aus Hannover, dieses Gutachten verbunden mit juristischen Forderungen an das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR) überreicht.

Das übergeordnete Kieler Umweltministerium hat uns und die Fa. Vattenfall zwischenzeitlich über die Presse zu Stellungnahmen zu diesem Gutachten aufgefordert.

Eine offizielle Antwort seitens des LLURs an unsere Anwaltskanzlei steht noch aus. Die Bürgerinitiative hingegen hat am 07.02.2019 eine Stellungnahme des zuständigen Mitarbeiters der Landesbehörde erhalten.

In dieser Stellungnahme bestreitet die Landesbehörde ohne nähere Begründung, dass die Rauchgasbehandlungsanlagen des Kohlekraftwerks defekt seien.

Zudem sieht das Landesamt keine neue Erkenntnis darin, dass die Partikel mit einem pH-Wert < 2 nach 2016 und 2017 weiterhin sehr sauer seien. Durch Maßnahmen von Vattenfall sollten die sauren Bestandteile im Rauchgaswärmetauscher des Kohlekraftwerks nach Angaben des Betreibers allerdings deutlich reduziert sein. Die wiederkehrend niedrigen pH-Werte der Partikelemissionen seit Juli 2016 sind die plausible Erklärung dafür, dass trotz aller „Minderungsmaßnahmen“ von Vattenfall weiterhin Ätzschäden an Pkws im Kraftwerksumfeld entstehen.

Zum Dritten hat der zuständige Mitarbeiter des LLURs seiner Stellungnahme „Beweisfotos“ angefügt, die angeblich belegen sollen, dass die Kraftwerkspartikel nicht an Pkws etc. haften. Diese Fotos zeigen nicht näher definierte, klitschnasse Motorhauben. Auf nassen Pkws können weder Partikelverdreckungen noch Schäden festgestellt oder dokumentiert werden. Dies sollte auch dem Sachbearbeiter einer Landesbehörde bekannt sein. Kaum waren die Pkws abgetrocknet, waren die Partikelverdreckungen wieder deutlich zu erkennen.

Das LLUR rückt sich mit derartigen „Stellungnahmen“ selbst in ein schlechtes Licht und lässt wieder die Frage nach der Motivation der Mitarbeiter aufkommen. Die Fa. Korro-Prävent hat am 17.02.2019 im Auftrag der Bürgerinitiative eine Gutachten-Ergänzung auf Basis der Stellungnahme des LLURs vom 07.02.2019 erstellt. Diese wurde dem Landesamt und dem Kieler Umweltministerium übersandt.

Ganz herzlichen Dank an alle SpenderInnen, die die Beauftragung von Gutachten und die Vertretung durch unsere Rechtsanwaltskanzlei möglich machen!

Kerstin Lueckow
für die BI

Mittwoch, 16. Januar 2019

Gutachten Partikelemissionen

November 2018/Partikeluntersuchung

Nach massiven Partikelniederschlägen im Nahbereich des von Vattenfall betriebenen Kohlekraftwerks in Wedel im Oktober und November 2018 haben Nachbarn wiederholt Schäden an ihren Pkws festgestellt. Hierbei handelt es sich um Industrie-Emissionsschäden. Seit Juli 2016 werden am Wedeler Elbhochufer bei südöstlichen Winden Partikelniederschläge aus dem HKW Wedel verzeichnet. Seither kommt es immer wieder zu Schäden an Pkws, Wintergärten, Panoramadächern etc. Zu Beginn der Ausstöße hat die Fa. Vattenfall diese Schäden mit Entschuldigungen beglichen. Vor mehr als einem Jahr wurden die Regresszahlungen an die Betroffenen eingestellt.

Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), ist dem „Grünen“ Kieler Umweltministerium unterstellt. Trotz diverser Anordnungen seitens des LLUR und Maßnahmen von Vattenfall hat sich die Situation vor Ort nicht gebessert. Im Gegenteil: Die Ausstöße im Oktober und November 2018 waren sehr massiv. Auch die Schadenbilder haben sich seit 2016 nicht verändert. Trotzdem sieht das LLUR keinerlei Handlungsbedarf und bestreitet mittlerweile die Schädlichkeit der Partikel. Der einzige Versuch zur Überprüfung der Materialschädlichkeit an Pkws (TÜV-Feldversuch vom 24.10.2017) hat allerdings entgegen der Aussagen des LLURs einen typischen „Kraftwerks-Blauschaden“ in dunklem Lack ergeben.

Um endlich Klarheit über die Schädlichkeit der Partikel zu erhalten, haben Mitglieder der Bürgerinitiative Mitte November 2018 Partikelproben von Pkws im Hellgrund in Wedel entnommen und am 06.12.2018 den Sachverständigen Michael Reichert (Fa. Korro-Prävent) auf eigene Kosten mit einem Gutachten zu den Partikelemissionen beauftragt. Die chemische Untersuchung der Partikelproben wurde vom renommierten IFO-Institut in Schwäbisch Gmünd durchgeführt.

Ergebnis:
  1. Die Partikel stammen aus dem Kohlekraftwerk: Es handelt sich weitgehend um Flugasche, wie sie beim Verbrennen von Steinkohle entsteht.
  2. Es wurde außerdem ein erhöhter Schwefelgehalt nachgewiesen.
  3. In den Partikeln bilden sich sog. Kristallite. Diese Kristallite bestehen aus Aluminiumsulfat.
  4. Aluminiumsulfat reagiert mit Feuchtigkeit sauer (pH-Wert < 2, gemessen bei dieser Untersuchung).
  5. Der so entstehende niedrige pH-Wert ist als Ursache der Verätzungen an den Pkws zu sehen. Zudem ist Aluminiumsulfat in Verbindung mit Wasser korrosiv.
  6. Es ist davon auszugehen, dass die Rauchgasentschwefelung und die Filteranlagen des Kohlekraftwerks Wedel nicht die vorgesehenen Funktionen erfüllen und somit Flugasche und hohe Schwefelanteile emittiert werden.

Wir fordern, dass das LLUR die Partikelausstöße aus dem maroden Kohlekraftwerk Wedel endlich unterbindet!