Mittwoch, 29. Oktober 2014

Bitte recht und mäßig

Anwohner reichen Klage gegen Vattenfall-Großkraftwerk in Wedel ein

In den letzten Wochen haben insgesamt 19 betroffene Anwohner aus Wedel und
Hamburg-Rissen eine Anfechtungsklage gegen die Genehmigung des von Vattenfall und der Stadt Hamburg geplanten Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig eingereicht.

Der Kraftwerksstandort in Wedel ist geprägt durch die umliegenden Wohngebiete. Die beliebten, elbnahen Wohnviertel in Wedel und Rissen weisen teilweise nur einen Abstand von 190 Meter zum geplanten Neubau des Großkraftwerks auf.
Schon das derzeit von Vattenfall betriebene Steinkohlekraftwerk aus den 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts ist in den letzten Jahren zum (Lärm-)Problemfall geworden.
Das in die Jahre gekommene Kohlekraftwerk hält vielfältig die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Anwohner vor Lärm nicht ein. Auch im Hinblick auf die starke Belästigung durch das vorhandene Großkraftwerk werden von Betroffenen Rechtsverfahren geführt.

Das geplante GuD soll bei laufendem Betrieb des Kohlekraftwerks auf dessen Kohlehalde errichtet werden. Das jetzt schon vorhandene Lärmproblem durch die Kohlelogistik resp. Schiffsentladungen würde sich dadurch noch verschärfen.
Generell käme der Baulärm der Großbaustelle insbesondere bei lauten Gründungsarbeiten zum jetzigen Lärmpegel noch hinzu. Dabei müssten die selben gesetzlichen Lärmgrenzen eingehalten werden, die jetzt schon teilweise deutlich überschritten werden. Ob dies in der Realität tatsächlich umsetzbar wäre, ist zumindest fraglich. Eine deutliche Bauverzögerung könnte die Folge daraus sein.

Die Kühlung des geplanten GuDs soll über sogenannte Luftkondensatoren erfolgen. D.h. es soll eine große Anlage mit offenen Ventilatoren zwischen den Wohngebieten in Wedel und Rissen errichtet werden. Dabei wurden von Seiten der zuständigen Kieler Behörde (LLUR) die Lärmgrenzen des alten Kohlemeilers genehmigt. Diese werden laut Berechnungen der Fa. Vattenfall auch ausgereizt. Dabei sind gerade Luftkondensatoren anfällig für Lärmzunahme durch Verschmutzung und Verschleiß (drehende Teile). Eine Neuanlage muss die Lärmgrenzen des rechtsgültigen Bebauungsplans in Wedel (reines Wohngebiet) einhalten und darf sich nicht an alten Lärmgrenzen orientieren.

Die Stadt Hamburg hat die Entscheidung zum Bau des GuDs in Wedel auf das Jahr 2015 (nach der Bürgerschaftswahl) vertagt. Der SPD Senat gibt an, eine in Berlin angekündigte Reform des sogenannten KWK-Gesetzes abwarten zu wollen. In den letzten Jahren hat es einen erheblichen Preisverfall an den Strombörsen gegeben, wobei im Winter teilweise sogar negative Strompreise erzielt werden. Insbesondere Gaskraftwerke speisen immer weniger Strom ins deutsche Stromnetz ein oder werden auf Grund von fehlender Wirtschaftlichkeit ganz vom Netz genommen. Die neue KWK Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nimmt dazu wie folgt Stellung:
Zitat:
Ein Neubau von öffentlichen (Gas)-KWK-Anlagen für die Fernwärmeversorgung mit einer elektrischen KWK-Anlagenleistung von mehr als 10 MW ist momentan nicht refinanzierbar.
Eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit, auch über einen zu erzielenden Marktpreis für Strom, muss eine Vorraussetzung zum Bau eines auf mindestens 500 Millionen Euro geschätzten Großkraftwerks sein. Negative Beispiele für Fehlinvestitionen bei Großprojekten gibt es schon zur Genüge.

Des weiteren bleibt die Fa. Vattenfall den Nachweis für den Bedarf zum Bau eines weiteren fossilen Großkraftwerks für die Hansestadt Hamburg schuldig. Die offizielle Begründung ist der Wärmebedarf für den Hamburger Westen. Viele Experten bezweifeln den von Vattenfall angegebenen hohen Bedarf an Wärmeleistung aus Wedel. Zumal im Stadtgebiet von Hamburg in den letzten Jahren weitere Wärme-Anlagen errichtet wurden oder sich derzeit im Bau befinden.

Auf eine diesbezügliche Anfrage an den Hamburger Senat hat der grüne Abgeordnete Jens Kerstan die Antwort erhalten, dass es sich bei den Bedarfszahlen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Fa. Vattenfall handelt. Dabei sollte der tatsächliche Bedarf die Grundlage jeder vernünftigen Planung darstellen. Es ist äußerst verwunderlich, dass der Stadt Hamburg trotz Beteiligung an den Energienetzen keine grundsätzlichen Zahlen zur Verfügung stehen. Es stellt sich daher die Frage, auf welcher Grundlage die bisherigen Entscheidungen getroffen wurden und noch getroffen werden sollen.

Kerstin Lueckow

Sonntag, 5. Oktober 2014

Krachkohle

Die Fa. Vattenfall hält nachweislich die Genehmigungsauflagen des alten Kohlemeilers in Wedel nicht ein.

Im Februar diesen Jahres wurde eine Lärmmessung der nächtlichen Lärmwerte im Bereich Hellgrund durchgeführt. Das Ergebnis zeigt eine deutliche Überschreitung der genehmigten Lärmgrenzen. Diese Messung ist erst auf Druck einer Hamburger Anwaltskanzlei im Auftrag eines betroffenen Anwohners veranlasst wurden. Nachhaltige Beschwerden und das Aufzeigen eigener Messprotokolle haben über einen langen Zeitraum bei der zuständigen Behörde in Kiel (LLUR) zu keinen Aktivitäten in Richtung Lärmschutz geführt. Mittlerweile hat die Behörde eine "nachträgliche Anordnung" erteilt. Dies bedeutet, dass die Fa. Vattenfall bis zum 31.12.2014 die Genehmigungsauflagen beim Nachtbetrieb des Kraftwerks wieder einhalten muss. Während der Revisionszeit des Kohlekraftwerks im Sommer wurden einige Maßnahmen zum Lärmschutz durchgeführt. Ob und in welchem Umfang diese Maßnahmen erfolgreich waren, kann erst bei einem Volllastbetrieb des Kraftwerks im Winter beurteilt werden.

Die Überschreitung der genehmigten Lärmgrenzen im Nachtbetrieb ist nicht das einzige (Lärm-)Problem. Seit der Durchführung einer großen Revision im Sommer 2012 klagen einige Nachbarn bis weit in die Rissener Wohngebiete hinein über einen durchdringenden "Brumm- oder Sirrton" in den Häusern. Besonders lästig ist dies in Schlafzimmern, da dieser Ton zu Schlafmangel führt und teilweise einen starken Druck auf den Ohren auslöst. Auch wackeln bei einigen Nachbarn zeitweise nachts die Betten und viele AnwohnerInnen beschweren sich über "Scheibenklirren". Der Grund für diese Phänomene ist eine Übertragung von Körperschall auf die nördliche Fassade der Turbinenhalle des Kohlekraftwerks. Diese muss daher entkoppelt werden. Obwohl das Problem längst bekannt ist, hat die Fa. Vattenfall bei der Revision des Kohlekraftwerks im Juli und August keine technischen Schritte unternommen, um die Übertragung von Körperschall zu verhindern. Vattenfall verweist jetzt auf die Revision im nächsten Sommer, da ein Stillstand der Anlage erforderlich sei. Noch ein weiteres Jahr warten? Das ist für viele nicht hinnehmbar. Ein entsprechendes Rechtsverfahren wurde angestoßen.

Ein weiteres Problem ist der Lärmpegel der Kohlelogistik:
Auf der Kohlehalde in Wedel herrscht viel Betrieb. Die Schichtung und Umschichtung der Kohle erfolgt mit einer sogenannten "Kohleraupe". Da die Ketten dieser Raupen nicht mit Laufpolstern versehen sind, ist das dazugehörige "Knattern" teilweise bis in weit entfernte Wohngebiete zu hören.

Ebenfalls gibt es große Probleme beim Thema Schiffsentladungen:
Die Versorgung des Kohlekraftwerks mit Kohle erfolgt über die Löschung von Kohlefrachtern im Tiefseehafen auf dem Kraftwerksgelände. Dieser Hafen ist nachträglich im Zuge der Errichtung des bestehenden Kraftwerks sehr dicht an die Wohnhäuser heran gebaut worden. Davor erfolgte die Anlieferung der Kohle per Bahn.
Im Laufe der letzten Jahre hat die Lärmbelästigung durch die Kohleentladungen deutlich zugenommen. Der Grund dafür ist u.a. Verschleiß an der Ladebrücke und das häufige Entladen von kleinen Schuten zusätzlich zu den üblichen großen Frachtern. Kleine Schiffe könnten weit entfernt von der Wohnsiedlung Hellgrund entladen werden, da die Kaianlage eine Länge von einigen Hundert Metern aufweist. Die Realität sieht leider häufig anders aus.

Aufgrund von jahrelangen Beschwerden und Presseberichten wurde im Mai 2014 die Lärmmessung einer Schiffsentladung vorgenommen. Diese wurde von der Fa. Vattenfall veranlasst. Ein Vertreter des Konzerns und ein Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde in Kiel waren vor Ort. Obwohl anwesende Nachbarn mehrmals darauf aufmerksam gemacht haben, dass der Lärmpegel der Entladung im Gegensatz zu sonst deutlich reduziert war, wurde diese Messung durchgeführt. Das Ergebnis zeigt eine Überschreitung der genehmigten Lärmgrenzen von 4 dB. Eine gutachterliche Überprüfung von unserer Seite hat eine deutlich höhere Überschreitung der Werte angezeigt. Ein Hauptgrund liegt in der Tatsache, dass bei der Messung des Schiffslärms der Frachter im Abstand von 220 Metern entladen wurde. Die Kaianlage führt allerdings deutlich näher an die Wohnbebauung heran. Auch waren störende Lärmquellen während der Messung abgestellt. Kaum war die Messung beendet, war der Lärm wieder da. Dafür gibt es viele Zeugen.
Der zuständige Mitarbeiter der Kieler Aufsichtsbehörde kann trotz anwaltlicher Einwendung und gutachterlicher Stellungnahme bis heute keine Defizite am Messtermin erkennen.

Dieses Verhalten hat bei den betroffenen AnwohnerInnen zu einem Vertrauensverlust in Messungen durch die Fa. Vattenfall geführt. Der Wedeler Umweltausschuss hat sich am 25.09.2014 auf Antrag der Wedeler Grünen und der SPD mit dem Thema Lärm des Kohlekraftwerks und dem Problem der durchgeführten Messungen beschäftigt. Dazu war ein Vertreter der Kieler Behörde und ein Vertreter der Fa. Vattenfall anwesend. Lothar Barop, SPD-Vorsitzender in Wedel, hat auf der Sitzung folgenden Vorschlag unterbreitet: Die demnächst anstehenden Messungen sollten von einem Gutachter durchgeführt werden, der das Vertrauen der Betroffenen besitzt. Diese sollten "verdeckt" in Absprache mit den Anwohnern erfolgen.

Dieser Forderung kann ich mich nur anschließen, zumal verdeckte Messungen einer guten Ingenieurspraxis entsprechen. Jetzt ist die Fa. Vattenfall am Zug. Eine solche Maßnahme könnte zu einer Entspannung der Lage vor Ort beitragen.
Kerstin Lueckow

Folgende Artikel sind dazu erschienen:

Hamburger Abendblatt (20.09.2014)

Anwohner können einem leidtun

Hamburger Abendblatt (20.09.2014)

Kraftwerkslärm nervt die Wedeler

Wedel-Schulauer Tageblatt (03.05.2014)

Der lärmende Nachbar Vattenfall

Hamburger Abendblatt (18.04.2014)

Anwohner klagen über zunehmenden Lärm durch das alte Kraftwerk

Nächstes Bi-Treffen Mi, 08.10.14, 19:30, Isis

Liebe MitstreiterInnen,

es gibt viel zu besprechen und daher möchte ich noch vor den Herbstferien zu unserem nächsten Treffen einladen.

Dieses findet am Mittwoch, den 08.10.14, um 19:30 Uhr im Isis Chamälion im großen Saal statt.

Viele Grüße,
Kerstin Lueckow