Sonntag, 23. August 2015

Einfältige Lokalpolitik: So will Wedel's Bürgermeister unterweisen

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Bau des geplanten Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) ist, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit die (vorgesehene) Bürgerbeteiligung umgangen wurde. Ganz besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Antragsunterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung im für Rissen zuständigen Bezirksamt in Altona nicht ausgelegt wurden. Der Baulärm für das mit knapp 500 Metern sehr nah gelegene Wohngebiet in Rissen wurde in den Unterlagen nicht einmal ausgerechnet. Dies ist auch ein Teil unserer im April 2015 beim OVG Schleswig eingereichten "erweiterten Klagebegründungen".

Der Umgang mit den "Betroffenen" und der Bürgerinitiative hat sich seit Antragstellung im Jahre 2012 kaum verändert. Dabei sollte es heutzutage eine Selbstverständlichkeit sein, die Menschen vor Ort bei Großprojekten "mitzunehmen" und ein Dialogverfahren auf Augenhöhe zu führen. Ansonsten braucht sich niemand darüber zu wundern, wenn ein weiteres Großprojekt unter der Rubrik "gescheitert" geführt werden muss.

Die Stadt Wedel reiht sich mit ihrem Großprojekt "BusinessPark Elbhochufer" nahtlos in den kritikwürdigen Umgang mit den betroffen AnwohnerInnen in Rissen und Wedel ein.
Die Stadt hat im Jahr 2012 ohne Not auf einen Bebauungsplan für die Kraftwerksfläche des GuDs und somit auch auf alle Rechte verzichtet. Und dies auch zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger, die ohne B-Plan um einem wesentlichen Teil der Bürgerbeteiligung gebracht wurden.
Dies rächt sich jetzt. Ohne Bebauungsplan konnte Wedel keine städteplanerischen Rahmenbedingungen für den Großkraftwerksbau festlegen. Der nebenan geplante BusinessPark ist somit schon mit hohen Lärmwerten vorbelastet. Und was macht die Stadt Wedel? Anstatt sich mit dem Hamburger Senat/Vattenfall über die Aufteilung der sogenannten "Lärmkontingente" zu einigen, soll den gleichen betroffenen Wohngebieten rund ums Kraftwerks/BusinessPark-Gelände einfach noch mehr Lärm zugemutet werden. Dabei werden die deutsche Lärmgesetze (TA Lärm) schlichtweg missachtet. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat schon vor einem Jahr ein Ausrufezeichen gesetzt und das Rissener Wohngebiet durch einen (rechtskräftigen) Bebauungsplan geschützt. Die Reaktion aus Wedel: Anstatt nachzubessern, wurde eine Klage gegen Hamburg eingereicht! Zusätzlich werden die AnwohnerInnen in Artikeln und auf wedel.de brüskiert. Eine weitere Klage (nach schon erfolgten 3 Klagen zum GuD und Kohlekraftwerk Wedel) ist die logische Folge daraus.

Mittlerweile werden nicht nur AnwohnerInnen, sondern auch Wedeler Parteien (Grüne, Linke) in Bezug auf die BusinessPark Planungen auf wedel.de "in ein negatives Licht gerückt".
Kritikpunkt ist ein Artikel über eine im September geplante Veranstaltung auf dem BusinessPark Gelände. Dazu ist am 20. August 2015 folgender Artikel im Wedel Schulauer Tageblatt erschienen: Wedel.de: Schmidt in der Kritik

"Mich stört weniger der Inhalt als die Art“, sagt Murphy. Er meint den Absatz des Textes 'Wedel at Business': frische Infos und netzwerken“, in dem Bürgermeister Niels Schmidt(parteilos) erklärt, dass Lokalpolitikern bei der Veranstaltung differenzierte Einsichten vermittelt werden könnten“. Ein Satz im direkten Zusammenhang mit der von Grüne und Linken hochgeworfenen Anhandgabe-Gebühr für Grundstücke, die Schmidt „äußerst kritisch betrachtet“, wie aus dem Text hervorgeht. Es sei lediglich ein Prüfauftrag vor dem Hintergrund der notwendigen Verbesserung der Haushaltslage Wedels, so Wuttke. Er kontert: Bei 'Wedel at Business' können bestimmt auch leitenden Verwaltungsbeamten differenzierte Einsichten vermittelt werden.“

Es gebe ein gewisses Neutralitätsgebot für einen Bürgermeister, zumindest auf öffentlichen Seiten der Stadt und bei öffentlichen Veranstaltungen, konstatiert Murphy. Wuttke wird da schärfer: „Ein halbes Jahr vor der Bürgermeisterwahl täte aus meiner Sicht ein Amtsinhaber, der in Kürze wieder Kandidat ist, sehr gut daran, sich mit öffentlichen abfälligen Bewertungen einzelner Ratsfraktionen zurückzuhalten."

Als Reaktion auf den Artikel hat eine Hamburger Anwohnerin folgenden Leserbrief geschrieben:

Mit Erstaunen habe ich den Artikel auf wedel.de zur Veranstaltung "wedel-at-business" vom 08. August 2015 gelesen. Nicht nur, dass einzelne Wedeler Parteien "in ein schlechtes Licht" gerückt werden. Auch folgender Satz ist mir besonders negativ aufgefallen: "Erschwerend hinzu kommen die blockierenden Nachbarn aus Hamburg - Wedel wehrt sich: Die Klage ist eingereicht."

Es ist kein Geheimnis, dass sich Wedels BusinessPark, beworben als "Sahneschnittchen", in den letzten Jahren eher als Ladenhüter denn als Verkaufsschlager entpuppt hat. Dazu gibt es vielfältige Gründe: Zum Beispiel ist das Gelände nach wie vor mit Chemikalien belastet, die Verkehrsanbindung ist nicht gegeben und konzeptlos und es herrscht ein sogenannter "Lärmstreit" mit Hamburg und den AnwohnerInnen.
Als Wedel vor Jahren das Grundstück von MobilOil übernommen hat, um dies gewerblich zu nutzen, war die Sachlage zum Thema "Großkraftwerk als Nachbar" eine völlig andere: Das überalterte Kohlekraftwerk Wedel sollte im Jahre 2012 ersatzlos gestrichen werden (Auskünfte Vattenfall). Statt dessen ist eines der ältesten und schmutzigsten Kohlekraftwerke in Deutschland immer noch am Netz. Zusätzlich ist nicht geklärt, ob parallel zum Betrieb des Kohlekraftwerks ein Gas-Großkraftwerk errichtet werden soll. Dies wäre mit mehrjährigem Baulärm direkt neben dem BusinessPark verbunden. Dabei sind Steuer-Einnahmen für Wedel durch ein Gaskraftwerk aufgrund des in den letzten Jahren drastisch gesunkenen Strompreises mehr als fraglich.

Um die (teils selbstverschuldete) fehlende Nachfrage zu kompensieren, setzt Wedel auf "Plan B": Jetzt muss eben auch "lärmendes" Gewerbe eine Option sein. Dabei wurden im Bebauungsplan zum BusinessPark Lärmgrenzen eingetragen, die weder dem Wohngebiet in Rissen noch dem Wohngebiet am Elbhochufer in Wedel Rechnung tragen. Zum Beispiel werden die zulässigen nächtlichen Lärmgrenzen für ein Gewerbegebiet um bis zu 7 dB(A) überschritten und die ersten Häuser in Rissen sollen eine "zweifache" Lärmhochstufung ihres Wohngebiets hinnehmen. Es ist kein Wunder, dass sich die Menschen in der Umgebung des Kraftwerks/BusinessParks-Geländes zur Wehr setzen.

Heutzutage sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, bei Großprojekten auf Bürgerbeteiligung und "Mitnahme der Menschen vor Ort" zu setzen. Statt aber die Nachbarinnen und Nachbarn zur geplanten Veranstaltung samt Podiumsdiskussion einzuladen, werden diese (nicht zum ersten Mal) auf wedel.de angegriffen. Die Konsequenzen eines solchen Vorgehens sind vorhersehbar.

Hanne Harder,
Hamburg-Rissen