Dienstag, 2. Oktober 2012

17 Fehler auf einen Streich

Kommentar von Mirco Beisheim zum Faktencheck von Frau Krischok. Kommentare geben nicht automatisch die Meinung aller BI Mitglieder wieder.

Faktencheck Mirco Beisheim

Die SPD-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft für Rissen, Frau Anne Krischok, hat am 25.9.2012 einen vermeintlichen Faktencheck im Form einer Pressemitteilung zum geplanten neuen Vattenfall Kraftwerk in Wedel herausgebracht. Leider scheint dieser „Faktencheck“ aus der Not von Frau Krischok heraus entstanden zu sein, auf immer mehr Anfragen von Menschen aus Rissen antworten zu müssen. Anfragen zu einem Thema, mit dem sich Frau Krischok bisher nicht beschäftigt hat. Das war bisher zwar bedauerlich, blieb jedoch Frau Krischok überlassen. Jedoch nicht mehr nur bedauerlich, sondern leider vielmehr sträflich sind nun aber die teilweise haarsträubenden Falschinformationen, die Frau Krischok in ihrem „Faktencheck“ herausgegeben hat.

Mirco Beisheim hat die Aussagen von Frau Krischok nun seinerseits einem kurzen Faktencheck unterzogen und stellt hiermit ein paar Dinge für die interessierte Öffentlichkeit richtig.
Krischok: Das bisherige Wedeler Kohlekraftwerk soll am Standort durch ein neue Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ersetzt werden.
1. Fehler:
Das HKW Wedel wird laut Aussage Vattenfalls bereits durch das KoKW Moorburg ersetzt. Das neue GuD soll also nicht als Ersatz des HKW Wedel, sondern zusätzlich zum KoKW Moorburg gebaut werden.
Krischok: Diese Investition kostet Vattenfall 500 Millionen Euro; das neue GuD-Kraftwerk wird den Westen Hamburgs (ca. 118.000 Haushalte) künftig mit Fernwärme versorgen und dazu 400 bis 470 Megawatt Strom erzeugen.
2. Fehler:
es sind nicht 118.000, sondern 180.000
3. Fehler:
Was hat Strom mit Fernwärme in Bezug auf das GuD bzw. das Heizkraftwerk Wedel zu tun? Hier wäre die Information wichtig, um die Dimensionen zu verdeutlichen:
Heizkraftwerk Wedel jetzt: 260 MW el, bis zu 390 MW th
GuD geplant: bis zu 400/470 MW el, bis zu 400 MW th
Krischok: Wedel ist bereits jetzt als Kraftwerksstandort voll erschlossen.
4. Fehler:
nein, die nötige Gaszuleitung besteht bisher nicht und ist kein unwichtiger Faktor im Genehmigungsverfahren. Voll erschlossen ist in diesem Fall daher falsch.
Krischok: Beim Alternativstandort Stellinger Moor müssten z.B. 25 Kilometer neue Hochdruckgasleitungen verlegt werden, davon sieben durch Hamburg. Der Standort Stellinger Moor würde nach jetziger Schätzung 96 Millionen Euro an Mehrkosten bedeuten. Dieses Geld möchten wir besser und anders ausgeben und nicht in Rohre von und nach Stellingen“.
5. Fehler:
Es ist ökonomisch keineswegs besser, statt 96 Millionen Mehrkosten in Stellingen stattdessen in Wedel zusammen mit Vattenfall 500 Millionen an einem nach allgemeingültigen Maßstäben ökonomisch und ökologisch ungeeigneten Standort zu versenken, der direkt an einem Wohngebiet liegt, der 20 KM vom HH Fernwärmenetz entfernt ist und für den eine 20 KM lange Leitung gewartet werden muß (ist die Leitung blockiert, ist Hamburgs Westen kalt). Darüberhinaus hatte Vattenfall nie ein Problem damit, ca. 300-400 Millionen Euro für „Rohre von und nach Altona“ in Form der sog. Moorburgtrasse verbauen zu wollen … warum spielen jetzt „nur“ 100 Millionen Euro eine solch entscheidende Rolle?.
Krischok: In Wedel wird ein Energiespeicher für überschüssigen Windstrom errichtet, der wie ein gigantischer Wasserboiler funktioniert. 30 000 bis 60 000 Kubikmeter Wasser werden mit Windstrom auf fast 100 Grad erhitzt und dann ins Fernwärmenetz eingespeist.
6. Fehler:
Der Wasserboiler hat faktisch nichts mit dem GuD zu tun und könnte völlig selbständig am Standort Wedel existieren. Solche Wasserspeicher sind auch nicht innovativ, sondern Stangenware. Und ob Vattenfall, die zig Kohlekraftwerke mit überschüssigem Kohlestrom betreiben, dort primär Windstrom einsetzen, hat sehr viel mit „Glauben“ und sehr wenig mit Tatsachen zu tun.
Krischok: Die neue Anlage kann zudem in 20 Minuten an- sowie heruntergefahren werden; das jetzige Heizkraftwerk braucht hierzu acht Stunden. Insofern kann man mit dem neuen Kraftwerk besser auf Bedarfsspitzen reagieren.
8. Fehler:
ein KWK-Kraftwerk läßt sich eben wegen der Fernwärme und trotz des netten Wärmepuffers nur bedingt an die Lastprofile im Strombereich anpassen. Und es gilt: umso kleiner ein Kraftwerk ist, umso besser läßt es sich regeln. Ein 1000 MW KWK-Kraftwerk ist dafür eher ungeeignet und ein 50 Jahre altes KoKW kaum eine geeignete Referenz.
Krischok: Das neue Kraftwerk wird auf dem Gelände des jetzigen Kohlelagers entstehen - statt der jetzigen 80 ha wird das neue GuD-Kraftwerk noch ca. 30 ha Fläche benötigen.
Das Bauplan sieht wie folgt aus: Von 2016-2017 wird das neue Innovationskraftwerk gebaut, 2018 wird das Innovationskraftwerk in Betrieb genommen, während das Kohlekraftwerk noch im sogenannten „Stand-By-Betrieb“ bleiben wird.
9. Fehler:
laut VF soll das neue GuD bereits 2016/17 in Betrieb gehen
Krischok: 2019-2020 soll dann das Kohlekraftwerk komplett abgebaut werden – auf Kosten von Vattenfall, denn Hamburg ist ausdrücklich am Wedeler Kraftwerk und dessen Abbau nicht beteiligt.
10. Fehler:
nur 2 Jahre Abbauzeit für das KoKW? VF spricht von mindestens 3 Jahren, Zeit nach hinten offen
Krischok: Der hier auftretende Baustellenverkehr soll über die Industriestraße und die B431 erfolgen, aber auch über die Elbe.
Klar ist: Das neue Kraftwerk wird auch kleiner und sauberer als das bisherige sein – dieses benötigt jeden Tag rund 2000 Tonnen Kraftwerkskohle, um seine Leistung aufrecht zu erhalten.
11. Fehler:
aus den bisher öffentlich gemachten Zahlen geht nicht hervor, ob das neue GuD wegen seiner Größe nicht sogar mehr CO2 als das alte KoKW emittiert. Von „sauber“ kann also gar keine Rede sein.
Krischok: Leiser wird es auch, da mit der Inbetriebnahme des GuD-KW der Schiffsverkehr zur Anlieferung der Kohle entfällt sowie der LKW-
Zubringerverkehr zum Abtransport der Reststoffe nicht mehr nötig sein wird.
12. Fehler:
das neue KW wird lauter, weswegen ja Vattenfall in seinen Lärmprognosen statt des bestehenden reinen Wohngebiets ein „allgemeines“ Wohngebiet annimmt. Die permanente Luftkühlung des neuen GuD ist auch sehr viel störender für die Anwohner als das bisherige ca. 1x pro Monat stattfindende Entladen der Kohleschiffe.
Krischok: Die Gaszulieferung wird voraussichtlich durch eine unterirdische Pipeline erfolgen, die nach Angaben von Vattenfall nur einen Durchmesser von 30 Zentimeter erfordert. Diese Leitung
wird von Hedlingen nach Wedel gelegt und berührt den Hamburger Westen nicht.“
13. Fehler:
ok, kein richtiger Fehler, aber eine schlimme Einstellung: denn die Gefahren der geplanten Bauarbeiten für die Gas-Trasse bewegen die Menschen am Deich durchaus
Krischok: Das neue Innovationskraftwerk ist zentraler Bestandteil des Energiekonzepts mit der Stadt Hamburg. Darin hat sich Vattenfall gegenüber der Hansestadt verpflichtet, in den kommenden sechs Jahren rund 1,5 Milliarden Euro in die Energieinfrastruktur in der Metropolregion zu investieren. Schwerpunkte bilden neue Speichertechnologien und der Umbau zu intelligenten Netzen.
14. Fehler:
ist ein Denkfehler: Wenn die SDP bei Vattenfall die nötige Einsparung von Fernwärme in den kommenden Jahren durchgesetzt hätte, bräuchten wir gar nicht mehr über solche Mega-Kraftwerke diskutieren. Speichertechnologien und intelligente Netze meinen den Strombereich und haben mit dem geplanten GuD nichts zu tun und sind hier reine nett klingende Placebo-Aussagen.
Krischok: Mit der Entscheidung für Wedel wird das Genehmigungsverfahren am Standort Stellingen ausgesetzt. Damit kann diese Fläche später sicherlich einer anderen Nutzung zugeführt werden, ein nicht unwesentlicher Aspekt in einem Stadtstaat mit begrenzten Flächen ...
15. Fehler:
da werden sich die Wedeler ja freuen, daß wegen des neuen Kraftwerks die nette Fläche am Elbufer und direkt an einem reinen Wohngebiet keiner anderen Nutzung als für ein Mega-Kraftwerk zugeführt werden kann und dazu gleich der angrenzende Businesspark beeinträchtigt wird. Schön für Wedel und die Anwohner ...
Krischok: ... und es wird ein bestehendes Kraftwerk ersetzt und nicht ein komplettes neu gebaut.
16. Fehler:
ach so, wenn ich also mein altes Auto verkaufe und ein neues kaufe, dann ist das neue Auto kein komplett neues, weil ... ?
Krischok: Profitieren von dem Neubau werden nicht nur die Umwelt, sondern auf jeden Fall auch Radfahrer und Wanderer an der Elbe. Der Elbwanderweg, der bislang um das Kraftwerk herumgeführt werden musste, wird künftig wieder direkt am Elbufer entlangführen.
17. Fehler:
schöner Nebeneffekt: die Wohn- und Lebensqualität von Menschen in Wedel und Rissen wird für Jahrzehnte sehenden Auges beeinträchtigt durch ein Kraftwerk, wie es nirgendwo sonst in Europa (laut Vattenfall!) so nah an einem Wohngebiet gebaut wird. Die Sache mit dem Radweg ist eine Nebelkerze: das KoKW wird eh in den kommenden Jahren rückgebaut, weil es am Ende seiner Betriebszeit angekommen ist. Das hat mit dem geplanten GuD nichts zu tun.

Resümee aus Sicht von Mirco Beisheim

Sicherlich kann man energiepolitisch über den Sinn eines Großkraftwerks streiten. Aus Sicht der Großkonzerne (und es ist auch legitim, sich aus Sicht von Politikern dieser Sicht anzuschließen, wenn man dies offen kommuniziert) machen Großkraftwerke auch heute noch marktwirtschaftlich Sinn, wenn sie wie im Fall des geplanten GuD Wedel mit einem Fernwärmemonopol in HH verknüpft sind. Aus Sicht der betroffenen Anwohner, der Energiewende und einer von vielen Menschen in Deutschland gewünschten stärkeren Unabhängigkeit von den großen Energiekonzernen wie Vattenfall gibt es aber auch viele Argumente, die gegen das neue GuD sprechen.
Was jedoch nicht legitim ist und leider einer Versachlichung der Diskussion entgegenläuft ist das vorliegende Papier von Frau Krischok. Immerhin ist Frau Krischok nicht nur SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, sondern auch Vorsitzende des Hamburger Umweltausschusses und trägt dementsprechend auch ein erhebliches Maß an Verantwortung in der Sache. Die Pressemitteilung vermischt aber sachliche Fehler mit unhinterfragt übernommen Aussagen aus den Werbebroschüren von Vattenfall. Dies trägt eher zur Verunsicherung der Rissener Anwohner bei und erschüttert einmal mehr das Vertrauen der Menschen in die gewählten Volksvertreter. Ich mache Frau Krischok daher auf die kommende Veranstaltung der SPD Wedel am 9.10. aufmerksam. Dort werden sicherlich viele Fakten zur Sprache kommen und sie kann mehr über das Thema erfahren, als in der Pressemitteilung steht.

Kommentar von Mirco Beisheim

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